So nutzt du Lean Startup, um deine Idee umzusetzen
Wäre es nicht cool, wenn von zehn Ideen nicht nur eine erfolgreich umgesetzt wird, sondern fünf oder sechs? Lean Startup macht’s möglich: Entschlackte Ideenfindung durch iterative Tests und Experimente. Unser Coach Thomas Hartmann erklärt dir, wie das geht.
Wie hebt sich Lean Startup von anderen Innovationsmethoden ab?
Von vielen guten Ideen bleiben am Ende wenige übrig, die umsetzbar sind. Einiges, was gut gedacht anfängt, scheitert an der praktischen Umsetzung. “Es geht darum, zielgerichtet den Ausschuss zu minimieren und schneller zum Ziel zu kommen”, erklärt Lean Startup Coach Thomas Hartmann.
Eine andere Methode dafür ist zum Beispiel Design Thinking. Dabei wird möglichst viel Inspiration gesammelt. Der Ansatz bringt Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen, wie etwa Marketing, Projektmanagement, Wirtschaft und Wissenschaft. Durch Beobachtung und Analyse wird ein Prototyp entwickelt, der dann auch getestet werden muss. Laut Hartmann gibt es hier Überschneidungen mit der Lean Startup Methode. Allerdings setzt Design Thinking früher im Entwicklungsprozess an. Wer aber bereits eine konkrete Idee hat, braucht keine Inspiration mehr, sondern einen Fahrplan, um die Idee zu prüfen.
“Es ist wirklich intelligent sich die Frage zu stellen: Wie kann ich im ersten Schritt die kritischsten Annahmen meiner Idee testen, ohne das Produkt zu bauen?”
Thomas Hartmann
Build, Measure, Learn — Drei Schritte zum Erfolg
Lean Startup arbeitet mit drei elementaren Arbeitsschritten. Eine Idee für einen Test entwickeln (Build), den Test und das Experiment durchführen (Measure) und aus den Ergebnissen lernen (Learn), um die neuen Erkenntnisse für die nächste Testreihe umzusetzen. Durch diese Iterationen, also das wiederholte Durchexerzieren dieser drei Hauptelemente, nähert man sich Schritt für Schritt einem praktisch funktionierenden Konzept. Welche Ideen fallen gelassen werden müssen, weil sie eben nicht funktionieren, wird so sehr schnell sichtbar.
Das erlaubt eine sehr hohe Geschwindigkeit im Testprozess. Auch, weil nicht unbedingt das fertige Produkt vorliegen muss, um es zu testen. Oft reicht schon ein mit einfachen Tools wie Power Point zusammengestellter Grobschnitt, um einen prüfbaren Prototypen bei der Hand zu haben, der die drei Arbeitsschritte von Lean Startup durchlaufen kann. Anhand unseres Startups Aclipp zeigen wir dir die Schritte im Einzelnen:
1. Build
Entwickle deine Idee! Nutze Methoden wie Design Thinking oder den Business Model Canvas, um ein Geschäftsmodell aufzubauen, von dem du überzeugt bist. Wenn du soweit bist, entwirf Experimente und Tests, um die Idee auf den Prüfstand zu stellen. Aclipp wollten zum Beispiel herausfinden, ob das Thema Reporting für viele PR-Agenturen eine Schwierigkeit darstellt. Also haben sie ein Whitepaper zu dem Thema angefertigt und für eine Marktstudie online zur Verfügung gestellt.
2. Measure
Für dein Experiment brauchst du keinen fertigen Prototyp, es reicht bereits ein Proof-of-Concept oder eine Präsentation, wie deine Idee aussehen soll. Überlege dir, welche Aspekte deiner Idee du testen willst. Besteht eine Nachfrage für mein Produkt? Schau, wie gut deine Idee bei einer Testgruppe ankommt! Ist meine Idee nutzerfreundlich? Entwickle einen Alpha-Prototypen mit Basisfunktionen und lass dir Feedback geben, wie intuitiv das Ganze funktioniert. Beim Whitepaper von Aclipp in unserem Beispiel handelt es sich nicht um das fertige Produkt, sondern um ein Mittel, eine spezifische Nachfrage zu messen. Das Ergebnis: Es wurde von sehr vielen PR-Agenturen heruntergeladen.
3. Learn
Werte deine Ergebnisse und Erfahrungen aus den Tests und Experimenten aus. Das Feedback deiner Nutzer:innen, Abrufzahlen und Bug-Reports geben dir einen guten Überblick darüber, was funktioniert und was nicht. Durch die hohe Download-Rate ihres Whitepapers wussten Aclipp jetzt: Reporting ist ein Thema, für das viele PR-Firmen nach Hilfestellungen suchen. So ein Learning nimmst du dann gleich in die nächste Iteration deines Prozesses mit.
10 Jahre Lean Startup: Welche Entwicklungen gab es noch?
“Die Toolbox wächst”, so Hartmann. “Alles was in den letzten zehn Jahren darüber entwickelt wurde, zum Beispiel wie wir über Startups denken und wie wir mit ihnen vorgehen, hat es vorher nicht gegeben. Davor hieß es nur: Der Unternehmer geht das Risiko ein und schaut dann mal, ob es funktioniert.”
Im Verlauf der letzten Jahre wurden neue Ansätze entwickelt. Um Risiken zu vermindern und Menschen mit guten Ideen zu helfen, sie frühzeitig auf Umsetzbarkeit zu testen. Und um Problemstellen zu identifizieren, die zuvor vielleicht eher etwas stiefmütterlich behandelt wurden. Zum Beispiel die Kommunikation mit den Nutzer:innen.
Hartmann sagt dazu provokativ: “Alle wollen nutzerzentriert sein, aber keiner möchte den Nutzer:innen zuhören.” Tatsächlich ist es einfach menschlich, seine eigene Idee — sein Baby — zu verteidigen. Methoden wie Lean Startup zwingen Gründer:innen dazu, sich frühzeitig mit ihren Kunden auseinanderzusetzen. Und sorgen damit dafür, das du dich nicht völlig in einer Idee verrennst. Indem sie dir helfen, neutrale Fragen zu stellen und dir Ergebnisse liefern, die dich wirklich weiterbringen. Andere Methoden dafür sind:
Business Model Canvas
Der schweizer Business-Theoretiker Alexander Osterwalder entwickelte die mit Bausteinen bestückte Alternative zum klassischen Business-Plan. Indem du die gesamte Idee auf einer Leinwand darstellst, kannst du sie mit deinem Team übersichtlich entwickeln. Um möglichst früh zu sehen, auf welche Probleme du stößt und welche Abhängigkeiten es gibt. Dein Geschäftsmodell wird so visualisiert und die experimentelle Testphase für alle verständlich geplant.
Jobs to be done
Hier konzentrierst du dich vor allem auf Kundenbedürfnisse und Nutzerverhalten. Es geht darum, herauszufinden, warum ein:e Nutzer:in dein Produkt kauft oder deine Innovation verwendet. Für die Nutzer:innen erledigt deine Idee zunächst einmal eine Aufgabe — also einen Job. Um ein spezifisches Bedürfnis zu stillen. Hier ein paar Beispiele, wie sich diese Jobs bei einigen unserer Startups definieren lassen:
- Aclipp — “Schnelle und eindrucksvolle PR-Reports für Kunden erstellen.”
- Family Punk — “Sich in Erziehungsfragen informieren.” und “Legitimierung für Erziehungsentscheidungen erhalten.”
- Chica con Ciclo — “Den eigenen Menstruationszyklus verstehen und Menstruationsbeschwerden beheben.”
Die lean, mean machine: Startups der Zukunft
Lean Startup sorgt für klare Strukturen. Der methodische und praxisorientierte Ansatz vermindert das Einstiegsrisiko für Innovator:innen und Gründer:innen erheblich. Methoden wie diese öffnen zusätzlich die Tür für viele weitere Konzepte, um sich von verkalkten Denkmustern zu befreien.
Hartmann regt dazu an, sie zumindest zu hinterfragen: “In der Unternehmenswelt ist es oft immer noch so: Wenn Unternehmen eine Geschäftsidee haben, dann wird diese so umgesetzt. Und das funktioniert dann schon. Oft funktioniert es aber zu 50%, 60% oder 70% nicht.” Weil Produkte oft mit veraltetem Wissen neu gebaut und neue Produkte mit alten Methoden entwickelt werden. Zum Beispiel: Nimm den Businessplan für das Printmagazin, und das funktioniert dann schon genauso im Digitalen. Wenn das schiefgeht, kostet es Zeit und manchmal auch richtig Geld. Das will Niemand. Fang am Besten gleich anders an und mach deine Idee mit dieser Toolbox fit, bis sie funktioniert!
Originally published at https://www.media-lab.de on May 25, 2021.